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3.12.2024

Das Historische Museum durch die Augen von Menschen mit Behinderung sehen

Ein Zeitungsbericht vom 22. Februar 2019:

Warum nicht mal mit anderen Augen durch eine Ausstellung gehen? Das Historische Museum bat geistig und körperlich behinderte Menschen, ihre Lieblingsstücke vorzustellen – für einen Multimedia- Guide. Heute wird er präsentiert und danach eine inklusive Afterwork-Disco gefeiert.

„Es ist uns ein Anliegen, Menschen mit Behinderung im Museum sichtbar zu machen und ihnen eine Stimme zu geben“, sagt Anne Gemeinhardt, Kuratorin für Bildung und Vermittlung im Historischen Museum. „Auch sie sind Experten für die Stadt, in der sie leben.“ Gemeinhardt leitet das Projekt „Inklusives Museum“, das sich unter anderem für Barrierefreiheit einsetzt.

Nun hat sie mit elf geistig oder körperlich behinderten Menschen einen Multimedia-Guide erstellt. Teilgenommen haben Beschäftigte der Praunheimer Werkstätten aus allen drei Standorten in Praunheim, Höchst und Fechenheim. Innerhalb kürzester Zeit wurden sie zu Museumsführern, die den Besuchern per Video ihre liebsten Ausstellungsstücke präsentieren.

Eine besondere Pointe
Die 21-jährige Muslimin Kaoutar El Ajouaoui etwa hat sich das Porträt eines katholischen Priesters in der Porträtwand „Gesichter“ ausgesucht. Sie habe schon immer mal mehr über den katholischen Glauben erfahren wollen und hat sich in ihrem Beitrag mit der Heilig-Rock-Reliquie und dem Zölibat beschäftigt, erzählt Gemeinhardt. „Die junge Frau, die sich kaum bewegen kann, ist ungeheuer scharfsinnig und humorvoll“, schwärmt die Kuratorin. „Sie hat sich das Porträt auch deshalb ausgewählt, weil es sie an ihren verstorbenen Lieblingsschauspieler Alan Rickman in seiner Rolle als Professor Snape in den Harry-Potter-Filmen erinnert hat. Der Vergleich beider Porträts ist eine besondere Pointe in ihrem Videoclip.“

Die Texte haben fast alle – mit Unterstützung der Museumsmitarbeiter – selbst geschrieben. Die Tour kann man ab heute auf der Museumswebsite mit dem eigenen Smartphone, Tablet oder PC kostenlos nutzen (siehe Link am Ende des Artikels). Im Museum gibt es kostenloses WLAN sowie Leihgeräte, die den Besuchern für die inklusive Tour zur Verfügung stehen.

Die Bedienung des Multimedia-Guides ist simpel. „Man kann die Videos mit Hilfe eines Lageplans im Museum finden oder anhand einer Liste nacheinander abspielen“, erklärt Gemeinhardt. Die Besucher könnten aber auch einfach das Smartphone oder das Leihgerät an ein NFC-Symbol halten, um das Video zu aktivieren. Zunächst führt die Tour in den Altbau des Historischen Museums zu den Reichsinsignien in der Stauferzeit. Die weiteren zehn Stationen befinden sich im neuen Ausstellungshaus. Inklusive der Laufwege dauert die Tour etwa eine Stunde.

Zur Vorbereitung haben die Teilnehmer an einem Workshop teilgenommen. „Gemeinsam haben wir aus den 6000 Exponaten die elf Ausstellungsstücke gewählt, die in der Tour vorkommen sollten“, erzählt Gemeinhardt. Darunter seien echte Highlights wie die Reichsinsignien oder das Adler-Auto, aber auch Stücke, die bisher noch in keiner Tour vorkamen – wie das ,Euro-Starter-Kit‘“, berichtet die Kuratorin.

„Allen hat es Spaß gemacht“
Nach nur einer Woche standen die Präsentationen und Texte, danach mussten sie digitalisiert werden. An drei Tagen trafen sich die Teilnehmer dafür mit der Dokumentarfilmerin Sophia Edschmid. „Sie hat das Projekt ganz sensibel begleitet“, so Gemeinhardt. Und: „Die Zusammenarbeit hat allen Beteiligten großen Spaß gemacht.“ Begleitet wurde das Projekt von Andreas Unkelbach, einem Vertreter des Werkstätten-Fachdienstes für berufliche Bildung und der „Capito Frankfurt“, einem sozialen Franchise Netzwerk.

„Wir arbeiten seit 2014 an einem umfassenden „Inklusions-Konzept“ für das Haus“, erklärt Gemeinhardt. In diesem Zusammenhang habe die Idee des Multimedia-Guides schon frühzeitig im Raum gestanden, weil er ein „wichtiges Werkzeug für die mobile Vermittlung an verschiedene Zielgruppen ist“. Seit der Eröffnung des neuen Ausstellungshauses im Oktober 2017 gebe es bereits eine Tour in leichter Sprache und in Gebärdensprache.

Nachdem das „Basisprogramm“ fertig war, sollten nun auch Touren her, die der Vorstellungen des „partizipativem Museum“ entsprechen. „Hierbei sollten Angehörige der Zielgruppen gleich selbst als Experten in eigener Sache aktiv werden“, erklärt die Kuratorin.

Zum offiziellen Start lädt das Museum heute zur Präsentation des Multimedia-Guides ein. Von 16 bis 18 Uhr werden die elf Videoclips im Leopold-Sonnemann-Saal präsentiert. Der Eintritt ist frei. „Danach feiern wir eine inklusive Afterwork-Disco im unteren Museumsfoyer rund um die Schneekugel“, sagt Gemeinhardt. „Der DJ ist einer der Projektteilnehmer und nennt sich PhiliRyThm.“ Der Eintritt für die Afterwork-Disco beträgt vier Euro, ermäßigt zwei Euro. Zur Tour geht es hier.

Quelle: fnp.de 22.02.19, Elisa Kautzky

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